Der letzte Tag auf der Baustelle ist geprägt von Eifer, die Arbeiten zu Ende zu bringen, von Teamgeist und einem krönenden Abschlussfest. Noch eine (eingeforderte!) Extra-Stunde Arbeit, dann heißt es aufräumen, zurückblicken und mit Tanz und Musik Abschied nehmen.
Unser letzter Tag in Tamnougalt. Die letzte Möglichkeit, das Angefangene zu einem wie auch immer gearteten Ende zu bringen. Die letzte Möglichkeit, die Gastfreundschaft von Hassan und seiner Familie zu genießen.
Das Frühstück beginnt üppig und mit einer Überraschung: leichte Schleierwolken sind am Horizont zu sehen. Ein für uns bisher ungewohntes Schauspiel. Was die Freude auf den letzten Arbeitstag in keiner Weise schmälert.
Wir brechen ungewöhnlich pünktlich in die jeweiligen Arbeitsbereiche auf. Auch muss noch Material herangeschafft werden, haben wir gestern doch die kleinen Lehmsteine, die für die Säulen bestimmt waren, für die Dachverzierung verbraucht. Doch wo sind die Maalems? Wie sollen wir ohne unsere marokkanischen Baumeister wissen, wie es weitergeht, was zu tun ist? Etwas Unruhe macht sich breit, wollen wir doch die angefangenen Projekte abschließen!
Kurze Zeit später die Erleichterung. Die Maalems und allen voran unser Super-Maalem Abdelkader sind da. Es kann losgehen! Mit voller Kraft geht es an den Tadelakt und den Lehmputz in den Räumen im Herzen der Kasbah. Und auf der Baustelle auf dem Dach der Burg wird an mehreren Stellen gleichzeitig gearbeitet, viellagig gewissermaßen. Ein wunderschönes Bild, einem Ameisenhaufen gleich.
Mit dem Fortschreiten der Zeit und dem Nahen des Mittagessens wird der Ehrgeiz größer. Die Diskussionen, wie etwas auszuführen ist, werden angeregter, mitunter sogar erregt. Wie lässt sich das Fenster an den frisch gemauerten Säulen verankern? Reicht der Putz überhaupt noch?
In all dem regen Treiben wird der Wunsch immer lauter, doch eine Stunde mehr zum Arbeiten zu bekommen. Nach einer kurzen Beratung im Team ist klar, dass wir den Wunsch gerne ermöglichen wollen – und können! Es wird also nach dem Mittagessen eine Extra-Stunde geben! Einige hält es nicht einmal bis zum Ende der Mittagspause am Tisch – sie ziehen schon vor dem Nachtisch los, ihr Werk zu vollenden.
Die letzte Stunde hat es dann noch mal in sich. Unglaublich, was in dieser kurzen Zeit geschafft wurde. Es fällt schwer, die Arbeit sein zu lassen. Doch zu einer guten HandwerkerIn gehört, dass sie ihr Werkzeug reinigt und die Arbeitsstelle aufgeräumt und sauber hinterlässt. In weniger als einer halben Stunde ist alles getan.
Schließlich brechen wir zu unserem Rundgang zu den Baustellen und Arbeitsprojekten der letzten Tage auf. Alles möchte gesehen, begutachtet und wertgeschätzt werden. Beeindruckend zu sehen, was unter diesen sehr einfachen Umständen für tolle Arbeiten entstanden sind. Ein guter Anlass, irgendwann wiederzukommen und die eigenen Arbeiten mit der Patina der Zeit zu bewundern.
Bei der Rückschau auf die gemeinsame Zeit wird schnell klar, wie sehr alle von dem gemeinsamen Tun und Sein hier profitiert haben. Wie stark die Freundlichkeit der Menschen und die Reduziertheit des täglichen Lebens für innere Ruhe und Frieden sorgen. Wie sich alles der Weichheit und Geduld des Lehms angleicht. Bleibt die Frage: was brauche ich wirklich, um glücklich zu sein?
Das Gruppenfoto vor dem Tor der Kasbah zusammen mit den marokkanischen Baummeistern und unserem Gastgeber Hassan ist wie ein Familienfoto. Es tut gut, alle beisammen zu haben und unsere Dankbarkeit für das Erlebte und Erlernte weitergeben zu können.
Jetzt heißt es flink Koffer packen, wird es doch nach dem Abendessen das Abschlussfest mit Livemusik geben. Hier verwandeln sich die Maalems und Köche in Tänzer und Musiker, die mit ihrem Esprit und künstlerischen Können verzaubern. Ein Fest wie in 1001 Nacht. Eine gute Gelegenheit, freudvoll Abschied zu nehmen. Wann werden wir uns wiedersehen?
Fotos: Holger Miska