Unser gemeinsamer Freund, Kollege und Mitstreiter Burkard Rüger ist im September, kurz vor seinem 79. Geburtstag, dem 17. Oktober, für uns alle überraschend in Plau am See gestorben. Darüber sind wir sehr traurig und betroffen und können es noch nicht richtig fassen. Es werden nun so viele Erinnerungen wach an das, was Burkard für jeden von uns bedeutet hat, was jeder von uns mit ihm erlebte.
Das legendäre Westberliner Umweltfestival Ende der 70er Jahre, dessen Mitorganisator er war, war für ihn prägend und der Anlass als Bauingenieur umzudenken, sich dem Betonwahn der Aufbaujahre entgegenzustellen.
Er beendete seinen damaligen Job als Geschäftsführer eines Projekts in Berlin-Kreuzberg, wo sozialbenachteiligte Jugendliche gemeinsam wohnen und einen Beruf erlernen konnten.
Damals, Anfang der 80er Jahre begann sich Burkard immer mehr für Ökologisches Bauen zu interessieren, im speziellen dem Baustoff Lehm. Er gründete ein kleines „Büro für Ökologisches Bauen“ in seiner Wohnung in Berlin-Kreuzberg, schrieb Artikel für Fachzeitschriften und war im Kontakt mit den vielen neue Ökobaubauinitiativen oder fungierte auch als Planer, Koordinator oder Bauleiter konkreter Projekte.
Es gab immer wieder Berührungspunkte zu „seinem“ Baustoff Lehm, bis er dann nach dem Fall der Mauer, Anfang 1990 das LBK (Lehmbaukontor Berlin-Brandenburg e.V.) mitgründete – im Rückblick eine weitreichende Entscheidung.
Burkard hat viel bewegt, nicht laut und euphorisch, sondern eher bedächtig, eigensinnig und kontinuierlich und immer mit dem Anspruch auf hohe Qualität. Sein Antrieb war, Menschen zu überzeugen, zu begeistern und zu motivieren, den Lehm selbst in die Hand zu nehmen beim (Um-)Bau des eigenen Hauses oder auch beruflich im Lehm- oder Strohballenbau tätig zu sein.
Er verfasste die ‚Blätter zum Lehmbau‘, Broschüren und Machbarkeitsstudien und und... . Er arbeitete selbst auch viel handwerklich auf Baustellen mit, leitete zahlreiche Kurse und Workshops bis hin zur Fortbildung zum ‚Gestalter/In für Lehmputze (HWK)´, an deren Ausarbeitung er bereits maßgeblich beteiligt war – zusammen mit zahlreichen Europäischen Kolleg*innen.
Er knüpfte Netzwerke und beteiligte sich an Projekten im (inter-)nationalen Rahmen. Lange führte er die Regie im Lehmbaukontor – mit einem umfangreichen Angebot an Veranstaltungen.
Hand, Herz und Kopf wirkten in seiner Bildungsarbeit immer zusammen.
Die Zusammenarbeit mit ihm war inspirierend, aber nicht unbedingt einfach – weder für ihn noch für die anderen - mit vielen AUFs und ABs – dennoch oft freundschaftlich. Die gemeinsamen Ziele bewirkten jahrzehntelange Kooperationen: so die mit der Europäischen Bildungsstätte für Lehmbau Wangelin und dem FAL e.V. sowie mit Mitgliedern des LBKs.
Im Bereich Strohballenbau war er einige Jahre für den fasba - Fachverband Strohballenbau und die Bildungsstätte Biwena in Verden tätig.
Burkard war immer am Nabel der Zeit: er hatte Weitsicht und erkannte die neusten Entwicklungstendenzen. Für das Drucken von Lehmwänden konnte er sich genauso begeistern wie für die lokale, aber wenig bekannte ‚Hundt’sche Bauweise‘ aus dem 19. Jahrhundert.
Er kannte jedes Lehmbaubuch, seine wunderbaren Bücherlisten zum Ökologischen Bauen erfreuten mit jeder Neuauflage. Er konnte das trockene Thema Bauphysik und seine Bedeutung für das Bauen mit Naturbaustoffen anschaulich und absolut spannend vermitteln.
Er lebte sehr bescheiden, denn an seinen eigenen Lebensunterhalt dachte er stets als letztes. Großzügig verschenkte er sein Wissen und seine Erfahrungen – ein wandelndes Lexikon. Rente mit 65 – das gab’s für ihn nicht. Sein Rückzug aus Arbeitszusammenhängen erfolgt langsam, schrittweise und war sicherlich nicht leicht für ihn. Bis 2023 unterstützte er noch tatkräftig die Saison des Lehmmuseums in Gnevsdorf.
Burkard hatte viele Seiten – auch widersprüchliche und seinen Freunden verborgene. Er zeigte sich sozial aktiv und zugewandt und konnte Freund*innen mit großzügigen Geschenken überraschen. Er brauchte aber auch immer wieder den Rückzug in sein Schneckenhaus.
Einerseits faktenorientierter Ingenieur hatte er andererseits auch eine sehr poetische Ader und hat wunderbare Reiseimpressionen aus Indien, Gedichte zum Leben und Texte zum Lehm geschrieben, Ausdruck seines emotionalen Bezugs zu diesem seinen Lebensweg prägenden Material. Indien – das war sein großer Traum. Der Wunsch, noch einmal dorthin zu reisen, blieb unerfüllt.
Wie vielleicht manch anderer Wunsch... .
Und wir – wir stehen nun betroffen da und können ihm all das nicht mehr sagen, was wir bisher versäumt haben, ihm zu sagen:
Danke Burkard – für deine Freundschaft, für all die gemeinsamen Situationen, die wir mit dir erleben konnten.
Die letzten Worte lassen wir dir:
dies leben wollt ich
wenn ich damals
meine legosteine türmte
vielleicht sagte ich dann
lokomotivführer
zum leben der großennach so vielen leben
jetzt weiß ich
dies leben wollt ich
genau dieswoher ich das weiß
frag einen vogel
der singt
warum er singt
er wird dir
die antwort singenfrag eine Katze
sie wird dir
die antwort
miauenfrag den Hund
er wird dir
die antwort
bellen
Berlin, 8. Oktober 2024, Irmela Fromme, Sabine Sühlo, Jörg Depta